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Kanadas Wildnis: Vancouver Island, eine fast vergessene Welt


Kanadas Wildnis
Vancouver Island, eine fast vergessene Welt

srt, Simone F. Lucas

26.08.2013Lesedauer: 6 Min.
Uralte BĂ€ume, lange StrĂ€nde und spiegelglatte Seen: So faszinierend ist Vancouver Island.VergrĂ¶ĂŸern des BildesUralte BĂ€ume, lange StrĂ€nde und spiegelglatte Seen: So faszinierend ist Vancouver Island. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Mit dem Wasserflugzeug ist es nur ein Katzensprung von der quirligen Metropole ins Naturparadies Vancouver Island. Und doch hat man das GefĂŒhl, in einer anderen Welt angekommen zu sein: keine verspiegelten HochhĂ€user, keine Shopping-Malls, keine Kreuzfahrtschiffe, keine Autobahnen, keine Luxushotels. DafĂŒr: uralte BĂ€ume, lange StrĂ€nde, spiegelglatte Seen und Pensionen, die mit "Bed & Bears" locken. Und natĂŒrlich Menschen, die in diese Landschaft passen. Sehen Sie Vancouver Island auch in unserer Foto-Show.

Da ist zum Beispiel Oyster Jim aus Colorado. Der Mann mit dem grauen Zauselbart und den Lachfalten um die Augen, knorrig wie einer der BĂ€ume, die er so liebt, begleitet uns auf dem Wild Pacific Trail. Auf dem Weg entlang der KĂŒste, den er nach langem Ringen durchgesetzt hat, kennt der 64-JĂ€hrige, der 1979 nach Ucluelet kam, jeden Baum. Vor allem der zĂ€he Lebenswille der Roten Zeder hat es ihm angetan. Dass auch entwurzelte BĂ€ume einfach weiter wachsen, wenn ein Zweig den Boden berĂŒhrt, erfĂŒllt den alten Haudegen, der frĂŒher sein Geld mit Austernzucht (daher der Name Oyster Jim) verdient hat, mit unendlicher Bewunderung. Auch, dass hier noch BĂ€ume stehen, die 500 Jahre und Ă€lter sind. Sorgsam hat er deshalb auch den aussichtsreichen Weg geplant. Nur wenn unbedingt nötig, opfert Jim einen Baum der schönen Aussicht.

Ein Kampf gegen die wilde Natur

Auf und ab fĂŒhrt der Weg, vorbei an bemoosten BĂ€umen, unter kahlen Ästen hindurch und ĂŒber verschlungenes Wurzelwerk. BĂŒsche und ganze Felsbrocken, erzĂ€hlt Jim, habe man entfernen mĂŒssen, um den Weg zu ermöglichen. Noch immer sei es ein Kampf gegen die wild wuchernde Natur, den Trail zu erhalten. Die hölzernen BrĂŒcken ĂŒber kleine Rinnsale und Vertiefungen hat der Wegeplaner selbst entwickelt. Er entscheidet auch, wo der Weg verlĂ€uft und wo eine Ruhebank am besten steht. "Wenn etwas nicht in Ordnung ist, bin ich dafĂŒr verantwortlich", sagt er und es klingt ganz und gar nicht so, als wĂŒrde er sich darĂŒber Ă€rgern.

Manager finden hier den Zugang zur Natur wieder

Vor seinem Haus in Ucluelet hat Jim aus gebogenen Hölzern Herzen, Spinnen und andere Skulpturen aufgestellt und dahinter mit Netzen, Rutschen und einem Trampolin eine Art Fitness-Parcours installiert - fĂŒr BĂŒro-geschĂ€digte Manager. Die tun ihm nĂ€mlich besonders leid, weil sie den Zugang zur Natur verloren haben. FĂŒr Gisele Martin wĂ€re dieser Verlust das Allerschlimmste. Die dunkelhaarige 35-JĂ€hrige, die so zauberhaft lĂ€cheln kann wie die Film-AmĂ©lie aus Paris, stammt aus einer First-Nations-Familie und erzĂ€hlt Besuchern im Kwisitis Visitor Centre im Pacific Rim National Park Reservat aus einer Geschichte, die in Kanada lange Zeit verdrĂ€ngt wurde. Gisele kann sich noch gut erinnern, wie es war, als sie vor Jahren im Besucherzentrum anfing. "Damals hatte ich das GefĂŒhl, ein aussterbendes Volk zu reprĂ€sentieren", sagt sie, "aber wir sind noch immer hier." Gisele entstammt einer Familie aus WalfĂ€ngern, die allerdings schon 1909 die Jagd auf Wale aufgab. Die Traditionen aber behielten sie bei. Ihr Vater, erzĂ€hlt die junge Frau, habe gerade sein 62. Kanu vollendet. Auch TotempfĂ€hle, wahre EnzyklopĂ€dien aus Holz, habe er geschnitzt, den letzten zum Jahrestag der Versöhnung mit Kanada.

Das dunkle Kapitel in der Geschichte

2008 war es, als sich der kanadische MinisterprĂ€sident Stephen Harper im Namen der Regierung und aller Kanadier fĂŒr ein Verbrechen entschuldigte, unter dem die Familien der 1,3 Millionen Ureinwohner bis heute leiden - der zwangsweisen Assimilierung. 150.000 Kinder wurden ab 1874 ihren Eltern weggenommen, in Internate und Erziehungsanstalten gesteckt, wo sie Diskriminierung und oft auch Missbrauch erleben mussten. Die letzte dieser Schulen wurde erst 1996 geschlossen. "Das dunkle Kapitel unserer Geschichte" nennt Gisele diese staatlich erzwungene Entfremdung von der eigenen Kultur. Ziel, so hatte es Phil Fontaine, Vorsitzender der "Assembly of First Nations" an jenem Tag der Versöhnung gesagt, sei nicht die Erziehung der Kinder gewesen, sondern "den Indianer in jedem Kind zu töten und die indianische Kultur aus dem Gewebe der kanadischen Gesellschaft auszulöschen".

Eine vor dem Aussterben bedrohte Sprache

Bei den Sprachen ist das beinahe gelungen, sie sind vom Aussterben bedroht. Bis 1986 durften die Ureinwohner nicht sprechen wie ihre Ahnen. Gisele aber will die alte Sprache wieder zum Leben erwecken, auch wenn sie nur noch von vier Personen aus ihrer Sippe gesprochen wird. "Wir haben zum Beispiel kein Wort fĂŒr "wilderness"; das nĂ€chstliegende ist Heim." Weil es nicht viele Menschen gebe, mit denen sie sich in der alten Sprache unterhalten könne, "rede ich mit mir selbst", bekennt die bildschöne Kanadierin. Dass die wenigsten Menschen ihr Interesse teilen, stimmt sie traurig. Manchmal stĂ¶ĂŸt sie mit ihrer Mission bei den Besuchern auf mehr VerstĂ€ndnis als bei ihren eigenen Leuten.

"Willkommen auf Fantasy Island"

Thyson Cross hat zwar keine indianischen Wurzeln und wirkt auf den ersten Blick wie der Gegenentwurf zur zarten Gisele. Doch der blonde Riese aus Ontario teilt ihr GespĂŒr fĂŒr die Natur. Profi-Hockeyspieler war er in seinem frĂŒheren Leben, erzĂ€hlt Thyson. "Aber ich wollte nicht mein Leben damit verplempern, Spiele zu spielen." Also engagierte er sich als Sozialarbeiter, "etwas, das ich immer noch mache, jetzt eben in der Natur". Und die begeistert den 35-JĂ€hrigen so sehr, dass er beim Anblick eines bĂ€rtigen Baumriesen ins SchwĂ€rmen gerĂ€t - darĂŒber, wie alles zusammenhĂ€ngt, die BĂ€ume und die BĂ€ren, die Adler und die Lachse, die Wölfe und die Raben. "Willkommen auf Fantasy Island", sagt er, als wir am Ufer von Meares Island aus dem Zodiac klettern. Dann fĂŒhrt er uns ĂŒber einen Pfad aus Holzplanken hinein in eine Wunderwelt, in der wir auf ZwergengrĂ¶ĂŸe schrumpfen.

Ein besonderes Kunstwerk der Natur

Selbst Thyson, dieser BĂ€r von einem Mann, wirkt geradezu winzig angesichts der gigantischen Wurzeln der BĂ€ume, die sich turmhoch ĂŒber uns aufrichten. Ihre verschlungenen Zweige filtern das Licht, das in braunen GewĂ€ssern goldene Tupfer setzt. SmaragdgrĂŒne Farne und grasgrĂŒnes Stinkkraut wachsen am Rand, graugrĂŒne Flechten hĂ€ngen von den Baumriesen wie gewaltige BĂ€rte, knorrige Äste wirken wie bizarre Skulpturen. Thyson weist auf einen besonders großen Baum, auf dem ĂŒppig Sukkulenten wachsen wie sonst nur im Treibhaus. "HĂ€ngende GĂ€rten" nennt er dieses Kunstwerk der Natur. Wir schauen und staunen und sind ganz still angesichts von so viel Schönheit. Über uns schwingt sich ein Adler in die Luft und sein heiserer Schrei bringt uns in die RealitĂ€t zurĂŒck.

Unterwegs in SchutzanzĂŒgen

Wenigstens einen BĂ€ren wollen wir noch sehen, auch wenn es inzwischen empfindlich kĂŒhl geworden ist. Dick vermummt in roten SchutzanzĂŒgen mit gelben Seglerjacken darĂŒber, mit schwarzen MĂŒtzen und ebensolchen Handschuhen gleichen wir einer Gruppe von PlaymobilmĂ€nnchen. Allerdings sind wir lange nicht so beweglich, was sich gleich bei der ersten BĂ€rensichtung bemerkbar macht. Wir taumeln von einer Seite auf die andere, stolpern ĂŒber die Nachbarin oder den Nachbarn und fummeln unbeholfen an unseren Kameras.

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"BĂ€renstark!"

Die BĂ€rin am Ufer beobachtet gelassen ihre zwei Jungen, die ĂŒber den Strand tollen wie ĂŒbermĂŒtige Kindergarten-Kinder. Doch als dann noch ein Boot auftaucht, wird es Mutter BĂ€r zu bunt und sie verschwindet mit dem munteren Nachwuchs im GebĂŒsch. Doch bevor wir den Verlust beklagen können, hat Thyson schon einen neuen BĂ€ren ausgemacht. Völlig unbeeindruckt von unserer Gegenwart knabbert der genĂŒsslich an einem Zweig, den er gerade von dem Ast abgebrochen hat, der ins Wasser reicht. Dann klettert er vorsichtig hinunter ans Wasser um zu trinken. "BĂ€renstark", murmelt mein Nachbar zufrieden.

Weitere Informationen:

Einreise: Der Reisepass muss noch sechs Monate gĂŒltig sein.
Anreise: Noch bis Oktober fliegt Lufthansa nonstop von MĂŒnchen nach Vancouver. Flugzeit etwa zehneinhalb Stunden. Hin- und RĂŒckflug ab 899 Euro inkl. Steuern und GebĂŒhren: www.lufthansa.com Von Vancouver nach Vancouver Island kommt man mit dem Wasserflugzeug oder mit der FĂ€hre.
Wohnen: Auf Vancouver Island gibt es die unterschiedlichsten Übernachtungsmöglichkeiten, vom Guesthouse bis zum Luxushotel, zum Beispiel das "Long Beach Resort" in Tofino, direkt am Meer, wo die Wellenreiter schon am frĂŒhen Morgen unterwegs sind. Entsprechend entspannt ist die AtmosphĂ€re (DZ ab 160 Euro pro Nacht): www.longbeachlodgeresort.com
WĂ€hrung: Aktuell bekommt man fĂŒr einen Euro 1,40 Kanadische Dollar. Bezahlen kann man auch mit US-Dollar und natĂŒrlich mit Kreditkarte.
Informieren: Tourism Vancouver Island, 501 - 65 Front Street, Nanaimo, BC, V9R 5H9, Kanada, Tel. 001/250/754-3500, www.vancouverisland.travel

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