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Kiel: Der Bau einer Straßenbahn wird immer wahrscheinlicher


Einsatz von Bürgerinitiative
Rollt bald eine Straßenbahn durch Kiel?

Von Sven Raschke

Aktualisiert am 14.05.2021Lesedauer: 4 Min.
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Eine Straßenbahn mit dem Logo der Stadt Kiel (Symbolbild): So könnte es aussehen, wenn die Tram über den Skandinaviendamm fährt.Vergrößern des Bildes
Eine Straßenbahn mit dem Logo der Stadt Kiel (Symbolbild): So könnte es aussehen, wenn die Tram über den Skandinaviendamm fährt. (Quelle: Ramboll Studio Dreiseitl/leer)

Jahrzehntelang wurde um eine Straßenbahn für Kiel diskutiert. Jetzt könnte sie tatsächlich kommen. Doch zunächst müsste sie sich gegen ein neues Schnellbussystem durchsetzen.

So langsam wird es konkret. Über eine Straßenbahn für Kiel wurde immer wieder diskutiert, vor mehr als 30 Jahren rollte zum letzten Mal eine Tram durch die Straßen der Stadt.

Nach immer wieder gescheiterten Anläufen in der Vergangenheit zeigen die aktuell laufenden Planungen: Aus der Frage des "Ob" ist inzwischen beinahe schon ein "Wie" geworden. Neben einem möglichen Tramnetz ist aber auch ein Schnellbussystem im Rennen. Und sogar über eine Seilbahn über den Straßen der Stadt wird nachgedacht.

Vorherige Anläufe für eine neue Straßenbahn scheiterten

Eine Straßenbahn wäre für Kiel, wie gesagt, nichts Neues, sondern die Fortsetzung einer unterbrochenen Tradition. Für mehr als 100 Jahre (1881 bis 1985) gab es den innerstädtischen Schienenverkehr. Der damalige Zeitgeist, der ganz auf den individuellen Pkw-Verkehr ausgerichtet war und von Klimaschutz noch wenig gehört hatte, sorgte für das Ende des Kieler Schienennetzes.

Die letzten Pläne für eine neue Straßenbahnstrecke, die Kiel mit dem Umland verbinden sollte, scheiterten 2015 an den Kosten sowie am Widerstand des Kreistages von Rendsburg-Eckernförde. Seitdem wird in Kiel über ein rein innerstädtisches System nachgedacht. "Kiel war jahrzehntelang aufs Auto gepolt – das wollen wir ändern", so Oberbürgermeister Ulf Kämpfer gegenüber dem "Schleswig-Holstein Magazin". Seit Oktober 2020 erarbeitet ein Ingenieurbüro nun im Auftrag der Stadt verschiedene Varianten. In der vergangenen Woche wurde der aktuelle Planungsstand vorgestellt.

Hauptsache mehr ÖPNV

Ob Schnellbussystem mit eigener Fahrspur (Bus Rapid Transit, kurz BRT) oder Tram – entscheidend ist für Christoph Karius "ein zukunftssicheres ÖPNV-System, das über höhere Kapazitäten verfügt, auf eigener Trasse mehr Menschen zuverlässiger und schneller befördern kann und so mehr Menschen für den Öffentlichen Nahverkehr gewinnt."

Karius ist als Leiter der Stabsstelle Mobilität und Projektleiter bei der Landeshauptstadt zuständig für das Großprojekt. Auch der Klimaschutz und die Luftreinhaltung spielten ein maßgebliche Rolle. Denn mehr ÖPNV und weniger Pkw-Verkehr führten zu geringerem CO2-Ausstoß und weniger Flächenbeanspruchung.

"Im Vergleich zu Städten ähnlicher Größe weisen wir aktuell einen geringen Nutzungsgrad des ÖPNV auf", so Karius. Zehn Prozent der Wege würden aktuell mit dem Bus zurückgelegt. Bis 2035, so das selbst gesteckte Ziel, soll der Anteil auf 17 Prozent erhöht werden.

Straßenbahn oder Schnellbus

Auf welches System die Wahl letztlich fällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen die Kapazität. Nach ersten Studien würde eine Straßenbahn mehr Passagiere befördern können. Zum anderen die Kosten. Eine vorläufige grobe Schätzung spricht von 185 Millionen Euro für den BRT und 411 Millionen Euro für die Straßenbahn. Karius betont, dass die tatsächlichen Kosten stark davon abweichen können und von der konkreten Umsetzung abhängen.

Deutlich wird aber, dass eine Straßenbahn wohl teurer werden würde als das Schnellbussystem. Allerdings könnte die Stadt bei der Straßenbahn wohl mit mehr Fördergeldern rechnen. 75 Prozent der Kosten könnte der Bund übernehmen, das Land würde weitere 15 Prozent beisteuern. Für den Schnellbus wäre die Aussicht auf Förderung laut Karius weniger sicher.

Auch die Beförderungsqualität sei nach ersten Einschätzungen bei der Tram höher, so Karius. "Beide Systeme haben spezifische Vor- und Nachteile, wie beispielsweise beim Fahrkomfort und den Ausbaureserven. Alle Punkte müssen aber noch genauer geprüft werden. Das geschieht gerade. Welches der beiden Systeme kommt, ist noch völlig offen", sagt Karius.

Bürgerinitiative macht sich für Straßenbahn stark

"Wir sind ganz klar für die Tram", sagt Jan Niemeyer. Er ist Mitglied der Kieler Initiative "Tram für Kiel", die sich seit 2010 für dieses Ziel einsetzt. Neben den von Karius aufgezählten Vorteilen listet Niemeyer weitere auf. So könne die Stadt etwa durch Rasenbepflanzung um die Gleise schöner werden.

Straßenbahnen würden schneller und zuverlässiger fahren können als Schnellbusse. Die breiteren Türen und höheren Kapazitäten wären auch für Menschen mit Kinderwagen oder Rollstühlen von Vorteil. "Für uns steht im Vordergrund, dass Kiel lebenswerter wird", so Niemeyer. "Wir glauben, dass eine Tram dafür ein wichtiger Baustein ist."

Wo soll sie fahren?

Parallel zum Beförderungssystem werden aktuell die möglichen Trassenverläufe festgelegt. Auch Vorschläge von Bürgern aus Informationsveranstaltungen in den verschiedenen Stadtteilen fließen hier mit ein. Als zentraler Knotenpunkt steht der Hauptbahnhof fest.

"Hier sind die meisten Synergien mit anderen Verkehrssystem möglich", so Mobilitätsmanager Karius. Vom Bahnhof aus könnten die Strecken sternförmig in Richtung Mettenhof, Suchsdorf, Dietrichsdorf und Elmschenhagen verlaufen. Angepeilt sind insgesamt 35 Kilometer Streckennetz. Anfang Juni wird dazu ein erster Zwischenstand erwartet, Ende 2022 das Ergebnis. "Bis dahin", sagt Karius, "müssen wir im Rahmen der aktuellen Trassenstudie noch viele Untersuchungen vornehmen."

Läuft alles wie erhofft, ist frühestens 2027 mit dem Baubeginn zu rechnen. 2030 könnte der erste Schnellbus in Betrieb gehen. Im Fall der Tram könnte es laut Karius zwei oder drei Jahre länger dauern – je nach Streckenverlauf. Und dann ist da noch die Variante mit der Seilbahn.

Eine Seilbahn als Ergänzung

Ein entsprechender Antrag wurde Anfang 2020 von Grünenseite eingebracht und wird zurzeit in der Kieler Ratskooperation (SPD, Grüne, FDP) beraten. Gemeint sind damit nicht die Überlegungen für eine Seilbahn über die Förde – ein hoch umstrittenes Gedankenspiel, weil Wind und Schiffsverkehr einer Umsetzung im Weg stünden. Die Idee ist tatsächlich eine Seilbahn durch die Häuserschluchten der Stadt.

Dirk Scheelje, Sprecher der Kieler Grünen für Städtepartnerschaften, Tourismus, Verkehr und Wirtschaft, zählt die Vorteile eines solchen Systems auf: "Mit Seilbahnen kann man auf einer zweiten Ebene fahren und so dem Problem des viel zu engen Straßenraums begegnen", so Scheelje. Straßenseilbahnen könne man relativ aufwandsarm nachträglich umplatzieren – und sie seien vergleichsweise günstig. "Und es kann natürlich einen sehr hohen touristischen Effekt haben."

Deshalb bemühe man in der Ratskooperation gerade darum, eine entsprechende Machbarkeitsstudie auf den Weg zu bringen. Scheelje betont, die Seilbahn müsse nicht auf jeden Fall kommen. "Aber die Argumente sind so stark, dass man sich das mal genauer anschauen sollte." Ersetzen könne sie die klassische Schienenvariante auf keinen Fall. "Als Ergänzung", so Scheelje, "wäre sie aber durchaus interessant."

Das bestätigt Projektleiter Karius: "Wichtig ist, dass die verschiedenen Systeme nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern sich ergänzen." Entscheidend sei, dass der ÖPNV verbessert wird.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mitJens Broschell, Ortsbeirat Wik (Grüne)
  • Dirk Scheelje, Sprecher der Kieler Grünen für Städtepartnerschaften, Tourismus, Verkehr und Wirtschaft
  • Christoph Karius, Mobilitätsmanager der Stadt
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